Online-Treffen: Hey, wo sitzt du denn?
Die Corona-Pandemie hat auch die Wikimedia-Bewegung zu Online-Treffen gezwungen. Das Angebot wurde schließlich durchaus gern angenommen: Wir sind uns der Vorteile bewusst, wenn wir nicht mehr stundenlang anreisen müssen. Was aber könnte man bei Online-Treffen noch besser machen?
Sucht man im Internet nach Benimm-Führern für das Online-Meeting, dann findet man eher ältere Beiträge aus der Vor-Corona-Zeit. Vor allem aus der Unternehmenswelt. Da geht es nicht zuletzt darum, gut auszusehen: Sitzt die Krawatte richtig? Ist die Bildschirmkamera nicht zu hoch oder zu niedrig eingestellt?
In den eher lockeren Kreisen der Wikipedianer spielt das Aussehen weniger eine Rolle. Manche Mitglieder der Gemeinschaft leben auch eher in Verhältnissen, in denen man bei der Wahl des Kamera-Raums nicht allzu wählerisch sein kann. Man ist schon froh, wenn man einen einigermaßen ruhigen Ort in der Wohnung hat, in dem das Internet halbwegs funktioniert.
Einige Zeitgenossen kommentieren gern die Hintergründe ihrer Gesprächsgenossen. Was das denn für eine Waschküche sei, haha. Mittlerweile aber dürften viele es als den guten Ton empfinden, sich nicht über den Raum des Gegenübers zu äußern, schon gar nicht abwertend. Jeder war schon einmal in Raumnot oder konnte das Bügelbrett oder Fitnessgerät nicht mehr beseitigen.
Ebenso unnötig ist es, Geräusche von Kindern oder das Duschen in der Nachbarwohnung zu erwähnen. Manche Tele-Zeugen des sozialen Lebens finden das lustig, die Betroffenen werden dadurch aber an etwas erinnert, das ihnen vielleicht nicht an ihrer Wohnsituation gefällt. Wer darüber selbst lachen kann, prima. Aber nach Monaten Pandemie ist vielen nicht immer zum Lachen zumute.
Vergesst den Ton nicht!
Apropos guter Ton: Wer in die Videografie einsteigt, der erhält immer wieder den Rat, an den Ton zu denken. Eine Zuschauerin verzeiht beim Bild vieles: Eine etwas unscharfe Aufnahme, Überbelichtung, etwas Wackeln der Kamera, unglückliche Schnitte. Ein scheppernder Ton hingegen, starke Windgeräusche oder Lautstärkeschwankungen führen leicht dazu, dass sie das Video bald wieder abschaltet. Wenn sie es mehrere Minuten lang erträgt, ist das schon viel.
Vergesst den Ton nicht!, klingt mir der Rat eines bekannten YouTubers in den Ohren. Ganz besonders klingen mir aber die Ohren, wenn ich ein, zwei Stunden Online-Meeting bei schlechtem Ton hinter mir habe. Mir selbst ist es wahnsinnig peinlich, wenn mein Ton schlecht zu hören ist oder Aussetzer hat – meist wegen der Verbindung im ungünstigen Raum, weniger wegen der Technik.
Die vielleicht problematischste Konstellation, die ich bislang erlebt habe: Jemand sprach zu einem Laptop, der sich offensichtlich auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand. Dazwischen ein niedriger Tisch. Bei einem solchen Optimismus zugunsten eines Laptopmikros beschleicht einen heimlich der Wunsch, dass der Moderator des Treffens solchen Teilnehmern nahe legt, sich nur noch durch Tippen zu beteiligen.
Tippen oder Tuscheln?
Viele Meeting-Plattformen haben eine Chat-Funktion. Manche nutzen sie eifrig, andere bekommen nichts davon mit, weil sie mit dem Tablet oder Smartphone teilnehmen. Talking heads und Chat lässt sich nicht immer gleichzeitig anzeigen.
Mal lässt sich der Chat in das Gespräch einbauen, mal nicht. Im schlimmsten Fall entsteht im Chat eine Nebendiskussion, gar mit lauter witzigen Einwürfen garniert. Für einen Vortragenden kann das sehr stressig werden, daher schaut man am besten gar nicht erst hin. Hoffentlich gibt es einen Moderator, der den Chat im Blick behält und eventuell Fragen aufgreift.
Weniger (chatten) ist also oftmals mehr. Sicherlich hängt manches vom Charakter des Treffens ab (ernsthaft-produktiv oder locker-gesellig), auch von der Zahl der Teilnehmenden. Vielleicht ist Tuscheln auch ein Zeichen dafür, dass etwas mit dem Vortrag nicht stimmt?
Das richtige Format?
So pauschal würde das niemand sagen. Aber man darf schon darüber nachdenken, welche Inhalte und Gesprächssituationen zu einem Online-Meeting am besten passen. Ein Vortrag, der eine Stunde und länger geht, ohne Pause? Es ist ja ein Kompliment in Deutschland, dass jemand druckreif spreche, aber will man wirklich jemandem stundenlang zuhören, der ein Manuskript in dichter, gehobener Bildungssprache vorliest? („Praktischerweise“ das Manuskript, das sowieso schon für einen Fachartikel geschrieben wurde?)
Die Alternativen sind auch nicht immer das Gelbe vom Ei, weder das freie Mäandern noch die Folien-Karaoke. Aber vor allem ist es eben die Länge. Wenn ich jemandem eine Stunde mit schlechter Verbindung oder Mikrofonproblemen zuhören soll, dann dröhnt mir irgendwann der Kopf. Und ich denke: Da höre ich mir doch lieber alleine einen Vortrag im Internet an, den ein Museum oder eine Universität vor Publikum aufgezeichnet hat, wenn ich ganz ehrlich bin.
Darum freue ich mich, wenn ein Input-Vortrag durch Fragen aufgelockert wird. Wenn ein längerer Beitrag in Segmente geteilt wird. Wenn Vortragende oder Moderatoren Mitmachelemente einstreuen. Auch wenn die nicht immer so ganz gelingen, sind sie mehr als willkommen. Und so probieren wir langsam aus, wie unsere Online-Treffen immer sinnvoller werden.
Ziko van Dijk 10.06.2021